Wann immer es sich irgendwie anbietet, lasse ich meine Schüler im Englischunterricht schreiben: Briefe, Werbung, Role Plays – und am allerliebsten Geschichten. Immer wieder Geschichten.

Durch das Schreiben erreiche ich dabei einerseits, dass sämtliche Schüler etwas produzieren (und nicht nur diejenigen mit ohnehin schon größerem Wissen und Selbstvertrauen), andererseits aber auch, dass sie sich die Zeit fürs Denken nehmen. Da man deutlich langsamer schreibt, als man spricht, entsteht automatisch mehr Zeit, um die eigenen Gedanken und Ideen zu sortieren.

So wertvoll dieser Prozess aber auch sein mag, und so originell viele Ideen sind, so anstrengend ist es auch, die immer wieder gleichen Fehler in Schüler-Geschichten zu lesen. Und damit meine ich nicht unbedingt nur die sprachlichen Fehler, sondern gerne auch die inhaltlichen Fehler. Oft merke ich beim Lesen, dass die Schülerin möglicherweise gute Ideen hatte, sie aber nicht zu Papier gebracht hat. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass sie zwar möglicherweise ein sehr genaues Bild von ihrer Hauptperson hatte, sich die Schülerin beim Schreiben aber so sehr darin verliert, dass sie vergisst, es mir, dem Leser, zu beschreiben. Bekomme ich dann doch einmal eine Charakterisierung, so sieht diese möglicherweise folgendermaßen aus:

Tom was very cool. He had sunglasses.
oder
Sandy was a very shy girl with long hair.

Wie gesagt, mehr bekomme ich eigentlich nie.

Frage ich hingegen mal Schüler, was ihnen an ihren Lieblingsbüchern, -filmen oder -serien gefällt, so ist das oft eine Person, die sie besonders gut finden oder mit der sie sich identifizieren können. Um solch eine Figur zu erstellen, braucht man jedoch eine ziemlich genaue Vorstellung dieser Person. Es hilft, wenn man den Charakter an eine real existierende oder fiktive Person anlehnt, die einem schon bekannt ist. Dafür habe ich mit meinen Schülern folgende Visualisierung erarbeitet:

Dabei gehen wir zunächst jeden Aspekt durch und überlegen uns eigentliche Beispiele. Für Schüler, denen bei der Erarbeitung so gar nichts einfällt, kann es helfen, Fotos oder Zeichnungen von Personen dabei zu haben oder sie mit einigen Fragen nach ihrem Lieblingsfilm (Was ist deine Lieblingsfigur? Warum findest du sie cool? Was ist ihre beste Eigenschaft? Woran merkst du das im Film/Buch?) ein wenig zu lenken.

Damit bekommt man zwar schon ausführlichere Beschreibungen, aber sie sind dennoch erst einmal reine (und oft sehr ungeordnete) Aneinanderreihungen von Charaktereigenschaften und äußeren Merkmalen:

Donna is very brave and has red hair. She travels with the Doctor in the Tardis and is not afraid of spiders. She is funny.

Dass es keinen Spaß macht, so etwas zu lesen, merken Schüler oft, wenn sie einander für die Texte Feedback geben sollen. An diesem Punkt ist es sinnvoll, den Unterschied zwischen direkter und indirekter Charakterisierung einzuführen:

Auch hier macht es Sinn, sich Beispiele anzusehen. Ich habe mit meinem Kurs über die erste Kampfszene von Guardians of the Galaxy 2 geredet, in der der Zuschauerin die fünf Guardians und ihre jeweiligen Haupt-Charaktereigenschaften (verträumt, draufgängerisch, mutig) vor Augen geführt werden. Man kann fast jeden Beginn eines Buchs, Films oder einer Serie so betrachten, dass man die Hauptcharaktere bei alltäglichen Handlungen beobachtet und dabei mitbekommt, welche Art Person sie sind. So kann man sich viel besser vorstellen, mit wem man es zu tun hat.

Das Schreiben selbst ist dabei für die Schüler eine echte Herausforderung, und auch stärkere Schüler brauchen mindestens eine Feedback-Runde, bis sie den Bogen raus haben. Wichtig ist, immer wieder Beispiele zu finden, die die Schüler kennen. Für einen nächsten Durchlauf würde ich vermutlich einige Leitfragen erstellen, mit dem sich die Schüler gegenseitig helfen können, denn diesmal funktionierte es nur, weil der Kurs klein ist. Das Tolle an der indirekten Charakterisierung ist übrigens, dass die Schülerinnen damit automatisch einen Geschichtenanfang haben, den sie weiterentwickeln können.